Abstract:
Das Pronomen erster Person hat schwebende Referens, was
für die Philosophen zu Paradoxien führt und für die Poeten Möglichkeiten
öffnet. Wenn z.B. das redende Subjekt in einem Gedicht behauptet daß es ein
Stein ist ensteht eine Unsicherheit die für den fundamentalen Unterschied
zwischen
poetischer Diskurs und wissenschaftlicher kennzeichnend
ist – die behaltene Unsicherheit.
”Ich
bin ein Meilstein und habe meinen Dienst erledigt”
Diese merkwürdige Zeile kommt vor in einem
patriotischen Gedichtzyklus - ”Röster från Skansen” von Hjalmar
Gullberg. Der redende ist also ein Meilstein aus der Zeit von Karl XI und zwar
in dem Freiluftmuseum Skansen in Stockholm noch befindlich . Und im Gedicht
behauptet also der Stein dass er ein Stein ist. Redende Steine sind in der
Natur selten aber in der Poesie gar nicht so selten,wie man hätte glauben
können.Hjalmar Gullberg ist ein Poet , der es verdient hätte mit einer besseren
Zeile auf Deutsch introduziert zu werden. Ich habe trotzdem dieses Zitat
gewählt weil es so schön die
sprachphilosophisch interessante Verwirrung exemplifiert, die sich
einstellt wenn das poetische Subjekt und das reale Subjekt nicht mehr mit
einandern vereinbar sind. Wie Jakko Hintikka in einer interessanten Analyse von
Descartes Cogito,ergo sum –
erklärt;die Schwierigkeit liegt nicht in einem logischen sondern in einem
performativen Widerspruch. Wenn ich ein Stein wäre,wie könnte ich das
behaupten.
- Ich bin ein Stein .
Was kann mann zu einer solchen Behauptung antworten ?
- Wirklich, -und wie
wissen Sie das ?
Sie lügen!
Entweder sind Sie kein Meilstein oder es ist nicht der Fall ,daß Sie reden.Aber
wenn Sie nicht reden können – was mit Steine im allgemein der Fall ist – dann
können Sie auch nicht lügen.So wenn Gullbergs verfluchter Stein die Wahrheit
redet kann es nicht die Wahrheit sein.
- Du lügst! Du bist kein Meilsten. Steine können nicht
reden. Steine können auch nicht lügen.Das Repertoar von Steinen ist überhaupt
sehr begrenzt.So – wenn Du kein Stein bist,Du Lügner,was bist Du dann ?
- Ein Poet, - selbstverständlich.
Das Feld ist weiter
.
Redende Steine sind in der Poesie und angrenzenden
Gebieten gar nicht so selten wie mann hätte vermuten können. Der Steingast im letzten Akt von Mozarts Don
Giovanni ist ein celebres Beispiel.
Der Schwedische Poet Gunnar Mascoll Silfverstolpe
schrieb 1931 ein Gedicht zu der Weihe
von einem öffentlichen Skulptur in Uppsala , gewidmet dem, mit dem Luftschiff
Italia umgekommenen Schwedischen Glaciologen, Finn Malmgren.In dem Gedicht wird
eine ziemlich bisarre Steingastdramaturgie insceniert.Der Tode Polarforscher kehrt
zurück,aber nun als steinernes Gedenkmal. Wie Mozarts Steingast.
Ist dies pekoralistisch ? Vielleicht. Ich habe den
Eindruck daß Silfverstolpe nicht ganz das Gedicht unter Kontrolle hat. Aber vielleicht mache ich
ihn Unrecht .Sehr viel in Silfverstolpes Werk ist höchst beachtenswert.
”allzu schüchtern
bis Du bist du vielleicht
Denkmal zu sein
in der Jugend kritischer Stadt
und schüchtern, gezwungen zu reden:
Die Anrede ist schon
furchtlos.
Aber Silfverstolpe bleibt
nicht damit.Er legt sogar ein Antwort im Munde von dem als Statue zurückgekehrten Freund:
”Ich lebte nicht
lange,aber niemand sollte das Leben reuen, das wurde mein Schicksal..”
Hier scheint als hätte der
Poet ein unmögliches poetisches Subjekt gewählt. Aber in der Poesie ist jedes
Subjekt möglich und problematisch nur was es zu sagen hat. Was wir von
Gullbergs Stein der reden kann und von
der überhaupt häufigen Verwendung der Poeten von ”Du” – anstatt ”Ich” als
Anrede zu dem eigenen Person ist eine wichtige Distinktion.Das Pronomen erster
Person und das Subjekt sind zwei verschiedene Sachen.Das Subjekt kann in allerlei Verkleidungen die Bühne betreten.Und
ein undenkbares ein inpraktikabiles
Subjekt kann sich hinter das Pronomen erster Person verstecken.Wie ein Stein.
Der große Hjalmar Söderberg hat einmal die Deutsche
(idealistische) Philosophie charakterisiert als ”als der systematische Missbrauch von einer, nur zu diesem Zweck erfundener
Terminologie”.
Etwas ähnliches könnte möglicherweise von der
Sprachverwendung in der Poesie behauptet werden.
„Du sagst ‚ich‘ und ‚es geht um mich‘
doch geht es um eine Wette:
In Wirklichkeit bist du niemand.
So ichlos, nackt und formlos ist die Wirklichkeit!
Erschrocken vor ihr begannst du dich zu kleiden,
dich ins Benehmen zu setzen und ‚ich‘ zu sagen,
dich festzuklemmen an einem Strohhalm.
In Wirklichkeit bist du niemand.
Rechtsordnung, Menschenwürde, Willensfreiheit,
alles Bilder vor Schrecken gemalt im leeren Saal der
Wirklichkeit,
Schrecken im Anblick von etwas jenseits von Recht und
Unrecht,
jenseits von Satz und Gegensatz!
In Wirklichkeit bist du niemand.“
So schreibt Gunnar
Ekelöf, einer der überhaupt grössten Schwedischen Lyriker (1907 – 1968) in
seinem „Nimm und schreib¨in der Sammlung
Fährgesang, von 1941.Hier geliefert
in vorzüglicher Übersetzung von Hans-Jürgen Lüdtke.
”Ich”.
Es ist ein eigentümliches
Wort.
Das Pronomen erster Person
hat schwebende Referens. Es gleitet herum, es haftet überall und will doch nirgendswo
bleiben.Jeder hat das Recht,sich ”Ich” zu nennen.Und nur einer.Deswegen gibt es
auch den Verdacht dass es nirgendswo einen legitimen Zuhause hat.
Das Pronomen erster Person stellt mehr philosophische
Probleme als alle andere Pronomina zusammen. Schwebende Referens ist eine
semantische Eigenschaft der Alltagssprache die weder mit Verschwommenheit wie in ¨dünnhaarig¨noch mit
Vieldeutigkeit wie in ¨Bank¨zu tun hat. In Geschwisterschaft mit den anderen
persöhnlichen Pronomina ,aber auch mit lokalrelatierten Ausdrücke wie ¨hier¨und
¨jetzt¨ hat dass Pronomen erster Person
mit dem Augenblick gemeinsam das jeder ein Anrecht darauf hat sich ”ich”
zu nennen, und nur einer. Bertrand
Russell redet von ¨egocentric particulars¨und behauptet das ”ich” bedeutet ”der
Sprechende”. Wie diese Definition
zutreffen soll in dem gar nicht ungewöhnlichen Fall wenn viele auf einmal
sprechen, lässt er uns nicht wissen.
Die Verwandtschaft mit einem anderen wichtigen Pronomen
mit schwebender Referens – jetzt – ist
offenbar.Hegel nimmt natürlich die Gelegenheit einer dialektischen Auslegung:
das Augenblick ist ”das Andere von sich selbst”.Es ist was es ist und doch
etwas anderes.Wo Hegel ein dialektisches Aufheben sieht,findet George McTaggart
eine fundamentale Paradoxe. Das Augenblick kann nicht auf einmal eine Stelle in
einer wohlgeordneter Metrik und sogleich ein ewig flüchtendes Etwas sein das
sich in keiner topologischen Ordnung einordnen lässt.Entweder das eine oder das
andere.Aber nicht beides.
versteckt das
Wort ”ich” diesselbe Paradoxie wie das
Wort ”jetzt”? Die beste philosophische
Analyse von dem enfliehenden ich finden wir vielleicht in David Humes
”Treatise”. Bei aenhauer – der viel von Hume gelernt hatte – wird das Ego die
Faltstelle, der Nullkorridor zwischen
die Elemente einer Abbildung und das Abgebildete.Bei George Mead schliesslich,
ist das Ego eine soziale Konstruktion,eine Produkt von unser Generalisierung
von den Erwartungen die wir glauben dass die Andere auf uns stellen. Das ist
offenbar Ekelöfs Gedanke.
”In Wirklichkeit bist Du niemand”. zzz
Durch die Sprache spiegelt sich die Welt im
Poeten und der Poet spiegelt sich in der Welt.Aber die poetische Sprachbenützung
ist in vielen intressanten Weisen verschieden von anderen Typen von
Sprechakten. Die platonische Auffassung
in dem Zehnten Kapitel der Republik ist
wie bekannt die dass die Poesie ein irrationales Element enthält.Und das also
die Poesie eine Art Bedrohung oder Gefahr gegen das Vernunft darstellt.Und
umgekehrt gibt es die romantische
Auffassung fass die Rationalität,die Operationen der Vernunft in irgendeiner
Weise die Poesie bedroht.
Es scheint mir genau so
unrealistisch als hätte mann behauptet dass die Tischlerei in irgendeiner
subtiler Weise die Ölmahlerei bedrohen könnte.
In der Naturwissenschaft oder in
der Nationalwirtschaft strebt der Diskurs danach uns von dem subjektiven
mentalen Raum uns zu bringen zu einem
neutralen . Die Sprache der Wissenschaft
ist eine Sprache der dritten Person.Die
rationalle Sprachen in Wissenschaft und Technik schaffen einen neutralen
sprachlichen Raum zu dem Preis einer verlorenen unmittelbaren Qualität. Die
poetische Sprache schafft auch einen öffentlichen Raum aber zu dem Preis von
einer Athentizität die immer in Frage gestellt werden kann.
Das Ergebnis der gelungenen poetischen
Operation – also die Analoge von dem konklusiven Beweis in der Mathematik – ist
eine festgehaltene Erfahrung.Es ist genau das subjektive in der Erfahrung ,das
durch die poetische Prozesse eine Art Objektivität bekommen hätte. Der
poethische Ausdruck einer Erfahrung behält im idealen Fall immer ein Bischen
Zweideutigkeit.
Wie findet dieser Übergang statt ?
Was kann das Gedicht behalten und was muss es verwerfen ? ”Bald ruhest
Du
auch.” ist nicht selbstverständlich. Theoretisch gesehen hätte Goethe ”Bald
ruhe ich auch” schreiben können.Und dabei hätte er ein Meisterwerk in eine
Banalität verwandelt.
In den Künsten spielt
Vieldeutigkeit immer eine wichtige Rolle.Das Ackord bei dem späten Beethoven
sagt uns oft was für ein Ackord es ist erst wenn es in dem Zusammenhang einer
Ackordfolge gelandet ist ,eine grüne Fläche auf der Kanvase verändert radikal
ihren Ausdruck wenn wir es mit Rot umgeben.
Ein, wie es vorkommen
kann,unwichtiger Replik in dem Anfang eines Romans enthält den Schlüssel zu
allem was später stattfinden soll.
Das schwebende ,nocht nicht
entschiedene ,das was nur nachher erzählen kann wohin es wollte ,ist das
geheime Zentrum des Gedichts.Der gute Poet versteht es ähnlicherweise die
Dingen im Schweben zu halten.
Die Wahrheit von der Welt ist nicht eine Haltestelle.
Sie ist eine Prozesse.
(Plenarvorlesung in der Akademie der Wissenschaften und der Literatur.Mainz 18.4.2013)